Quibi verschwindet von der Bildfläche
Der Streaming Service, der trotz A+ Team und $1.75 Milliarden Kapital nicht sein sollte.
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Weil mein Post letzte Woche sehr politisch war, ignorieren wir das Thema diese Woche mal, und tun einfach so, als hätte letzte Nacht keine Präsidentschafts-Debatte stattgefunden.
Stattdessen widmen wir uns einem Startup, das nicht sein sollte und erkunden, warum manchmal auch das beste Team und sehr viel Geld nicht viel helfen.
Jeffrey schmeißt das Handtuch in den Ring
Nur knapp 6 Monate nach dem Start schmeißt das Team von Quibi hin und kündigt an, den Service in Kürze einzustampfen.
Falls du dich jetzt fragst, was Quibi überhaupt ist, und welchen Trend du nach TikTok, 90s Klamotten und Autotune-Rapmusik jetzt schon wieder verpasst hast - keine Sorge: Denn erstens hat man hier in Europa kaum etwas von Quibi mitbekommen und zweitens war es nie wirklich ein Trend. Und genau da liegt das Problem.
Quibi ist (bald war) ein Video Streaming Anbieter mit der Prämisse, Content nur in kleinen Happen (Quick Bites) und nur auf mobilen Endgeräten zur Verfügung zu stellen.
Das ganze sollte sich also irgendwo zwischen Netflix, AppleTV+, und Disney+ auf der einen Seite und TikTok und Snapchat auf der anderen Seite eingliedern.
Ein erfahrenes Team
Gegründet wurde die Firma 2018 von Jeffrey Katzenberg, einem der erfolgreichsten und bekanntesten Filmproduzenten der vergangenen Jahrzehnte. Als damaliger Chef von Disney Animation war er unter anderem verantwortlicht für Filme wie König der Löwen oder Aladdin, und gründete danach das Animationsstudio Dreamworks, was Hits wie Shrek und Madagascar hervorbrachte.
Als CEO holte sich Katzenberg Meg Whitman in’s Team, eine der Top Tech-Managerinnen, die sich ihre Sporen (und ~$5bn net worth) als Chefin von HP und später eBay verdiente.
Dazu kam noch eine ganze Reihe an Mitarbeitern, fast allesamt mit jahrelanger Tech- und Entertainment Erfahrung.
Ein Haufen Geld
Katzenberg schaffte es nicht nur, Top Mitstreiter für seine Idee zu gewinnen, er schaffte es auch, signifikante Investments einzusammeln - $ 1.75 Milliarden um genau zu sein. Das Geld kam dabei größtenteils von anderen Hollywood Größen - u.a. Disney, NBC, Sony, Time Warner, aber auch von Goldman Sachs, Alibaba und BBC.
Vor allem wegen der hohen Investment Summe, die noch vor dem Start in Quibi geflossen ist, sahen viele die Firma von Beginn an sehr skeptisch. Allerdings ist Filmproduktion nun eben eine der kapitalintensivsten Branche. Zum Vergleich - Netflix hat alleine in 2019 $ 15.3 Mrd für Video Content ausgegeben.
Mit Kapital und Team schaffte es Quibi tatsächlich, eine sehr ansprechende Mobile App, aber vor allem eine Reihe an Original Content zu produzieren und in gewisser Weise ein neues Genre zu erfinden - Serien in Spielfilmlänge, aufgeteilt in kurze (meist 5-12 Minuten) Episoden. Der Content kam dabei nicht von irgendwem - involvierte Regisseure und Schauspieler waren u.a. Steven Spielberg, Liam Hemsworth, Christoph Waltz, Reese Witherspoon und Jennifer Lopez.
Der Launch
Mit rund 50 Produktionen launchte Quibi dann Anfang April diesen Jahres seinen Dienst. Und obwohl sich alleine in den ersten Tagen wohl knapp 1 Mio. Menschen für Quibi anmeldeten und diese Zahl bis Mitte des Jahres auf schätzungsweise 5-6 Mio. anwuchs, konnte das Team um Quibi das Ganze nicht als Erfolg feiern.
Einerseits blieben die Zahlen hinter den Erwartungen zurück - zum Vergleich - Netflix gewann alleine in Q1 und Q2 2020 ca. 26 Mio. neue Nutzer, Disney+ konnte in den ersten 5 Monaten nach Launch im November 2019 ganze 50 Mio. Nutzer gewinnen.
Andererseits blieb wohl auch der große Hit bei den Quibi Shows aus, keine der 50 Produktionen schaffte es, einen wirklichen Hype aufzubauen.
Dazu kamen dann Mitte des Jahres die schlechten Nachrichten, dass von all den gewonnenen Nutzern nur wenige auch über die Testphase hinweg bei dem Service blieben. Kunden, die sich im April für Quibi angemeldete hatten, erhielten eine 90-tägige Test Phase, danach kostete der Service $ 4.99, bzw. $ 7.99 für eine werbefreie Variante, aber nach verschiedenen Berichten konvertierten nur knapp 10% der Nutzer in einen dieser Paid Plans.
Die Analyse
Nehmen wir das Ganze mal ein wenig auseinander, um zu verstehen, woran das Scheitern von Quibi gelegen haben könnte.
In ihrem Abschiedpost schreiben Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman:
And yet, Quibi is not succeeding. Likely for one of two reasons: because the idea itself wasn’t strong enough to justify a standalone streaming service or because of our timing.
Aber war es das wirklich, oder reichen die Probleme des Dienstes vielleicht weiter?
Problem No 1: Das Geschäftsmodell
Der 90-tägige Testzeitraum galt nur für die initalen Nutzer. Ab Mai wurde das Modell umgestellt - 14 Tage kostenfreier Test, danach muss für den Service bezahlt werden. Eine kostenfreie Variante gab es nicht. Das heißt also, dass ein Nutzer innerhalb der ersten 14 Tage so sehr vom Content überzeugt werden muss, dass er schon dann bereit ist, monatlich für diesen zu zahlen. Zudem war Quibi mit dieser Preisgestaltung nicht wirklich kompetitiv, Apple TV+ kostet auch nur $ 4.99, und das werbefrei.
Problem No 2: Viralität
Mobile Content lebt davon, geteilt werden zu können. Gerade hier hätte Quibi punkten, und aus den Dynamiken von Snapchat, TikTok und co. lernen können. Doch bis heute gab es in Quibi keinerlei wirkliche Social Features und es fehlte z.B. die Möglichkeit kurze Clips aus der App heraus einfach zu teilen. Nicht zuletzt auch dies verhindete wohl jegliche Viralität des Dienstes.
Problem No. 3: Content
Trotz all der berühmten Regisseure und Schauspieler, konnte der Content weder die Masse, noch Kritiker überzeugen.
Problem No. 4: Timing
Eine der Kern Annahmen des Quibi Teams war es, dass es eine Martklücke für Qualitäts-Video Content für den On-the-go Konsum gibt. Und genau mit dieser Prämisse wurde der Dienst gestartet. Wie uns wohl allen schmerzlich bewusst sein dürfte, war das Unterwegssein dieses Jahr aufgrund der Corona Pandemie und den teilweise verhängten Lockdowns sehr eingeschränkt. Jeffrey Katzenberg hat schon Mitte des Jahres viele der Quibi Probleme der Pandemie zugeschrieben - und tatsächlich: die Chance, als neues Medium für den Unterwegs-Konsum zu glänzen, hatte Quibi bisher wirklich nicht.
Ich will das aber nicht so wirklich als Argument gelten lassen - denn andererseits hatten extrem viele Menschen auch auf einmal viel mehr Zeit und vor allem mehr Langeweile. Beides hätte genauso gut auch zu einem Boost für Quibi führen können.
Problem No. 5: Die Idee an sich
Womit wir beim Kern wären - vielleicht haben Katzenberg und Whitman recht, wenn sie sagen, dass die Idee nicht gut genug für einen “standalone streaming service” war. Tatsächlich ist Quibi ein wenig von seiner ursprünglichen Idee abgewichen, den Content strikt nur auf Mobile zur Verfügung zu stellen und hat auch Apps für AppleTV, AndroidTV und FireTV gelaunched, aber erst Anfang Oktober, als wohl zu spät.
Die Frage ist zudem - gibt es wirklich den Drang, auch unterwegs und auf dem Smartphone auf Content mit sehr hoher Produktionsqualität Zugriff zu haben oder sind eben doch TikTok, Snapchat, Instagram und generell Social Media die besseren Begleiter für diese Situationen?
Wie bewerte ich das alles?
Ich habe mir die App selbst angeschaut und finde: im Kern ist den Machern einiges sehr gut gelungen. Die Bedienung fühlt sich direkt intuitiv an, alles wirkt sehr hochwertig, inklusive gelungenem Design bis ins Detail.
Besonders gut gefällt mir der Ansatz, Videos je nach Ausrichtung des Smartphones, anzupassen. So kann man in einigen Serien durch Drehen des Handys die Kameraposition verändern - das ist durchaus ein spannender Ansatz für eine neue, interaktivere Form des Serienkonsums.
Würde ich dafür $ 5-$ 10 Dollar monatlich bezahlen - vielleicht. Aber dann würde ich mir auch die Zeit nehmen wollen, den Content anzusehen. Dafür müsste ich entweder weniger Zeit mit Podcasts & Twitter verbringen - da liegt meine “Attention” wenn ich unterwegs bin, oder in meiner Freizeit nicht Netflix und Youtube, sondern Quibi anmachen. Auch wenn Quibi stets behauptet hat, in einer ganz eigenen Kategorie zu spielen, so stehen sie eben doch in Konkurrenz um Zeit und Aufmerksamkeit des Nutzers. Damit man diese als neue Plattform gewinnt, muss man nicht nur mit seinem Konzept, sondern vor allem mit seinem Content überzeugen.
Bottom Line: Das ist Quibi nicht gelungen.
Allerdings - nach 6 Monaten das Handtuch in den Ring zu werfen finde ich sehr früh. Content Erfolg lässt sich eben nicht “planen”. Selbst Apple, mit all seinen Ressourcen und seiner schon bestehenden massiven Reichweite, konnte Apple TV+ bisher nicht zum glasklaren Erfolg führen und hat erst jetzt, nach knapp einem Jahr am Markt mit den Serien “Ted Lasso” und “Teheran” eine Art Durchbruch.
Lessons Learned
Ein Top-Team und sehr viel Geld garantieren keinen schnellen Erfolg - das Ganze spricht mal wieder sehr eindrücklich gegen “Fat Startups” und umso mehr für den schnellen, iterativen Prozess der “Lean Startups”
Selbst ein vermeintlich gutes Produkt verkauft sich mit dem falschen Geschäftsmodell nicht
Timing is a bitch - auch wenn ich da eher kritisch bin, vielleicht hätte das Produkt in einem normalen Jahr, in dem Leute gewohnt viel unterwegs sind und pendeln tatsächlich gezündet
Und Jetzt?
Ganz verschwinden werden all die Inhalte, die für Quibi produziert wurden wohl nicht. Gerüchteweise hat das Team die Produktionen u.a. auch Facebook angeboten. Es wird interessant zu sehen, wer den Content aufgreift und was daraus entsteht.
Auch die Idee könnte weiterleben - vielleicht haben Katzenberg und Whitman ja damit recht, dass das Ganze einfach ein “Feature” ist, und kein “Business” - werden wir professionellen Shortform Video Content zukünftig bei Netflix, oder gar als Teil von Youtube Premium sehen?
Fazit
In der Rückschau, und vor allem von der Seitenlinie betrachtet, ist es immer einfacher eine Idee und ihre Umsetzung zu kritisieren und die Dinge aufzuzählen, die nicht geklappt haben. Seit dem Start gab es viele Kritiker von Quibi und vor allem jetzt, da das Team gescheitert ist, gibt es eine ganze Reihe an Personen die laut “told you so” schreien und sich beinahe schadenfroh über den Misserfolg äußern.
Ich finde das schade, denn:
Jeffrey Katzenberg hatte eine Vision und eine Idee, wie das Fernsehen der Zukunft aussehen könnte. Eine Idee, die das Beste aus beiden Welten - Hollywood mit seinen Multi-Millionen Produktionen und der Tech Welt mit TikTok und Instagram Stories - verbinden würde. Und anstatt darauf zu warten, dass die Zukunft stattfindet, packte er es selber an, gründete eine Firma, überzeugte andere Zeit und Geld in den Dienst der Idee zu stellen und schaffte es sogar, das alles bis zur Umsetzung zu bringen.
Dabei finanzierte er mit dem Kapital etliche Filmemacher & Schauspieler, sich mit einer neuen Form der Video Unterhaltung kreativ auszutoben.
Jeder, der sich mit Häme über diesen Misserfolg freut, hat den Kern dessen, was Unternehmertum bedeutet nicht verstanden.
Ich will dabei abschließend auf ein schönes Zitat von Theodore Roosevelt verweisen:
"It is not the critic who counts; not the man who points out how the strong man stumbles, or where the doer of deeds could have done them better. The credit belongs to the man who is actually in the arena, whose face is marred by dust and sweat and blood; who strives valiantly; who errs, who comes short again and again, because there is no effort without error and shortcoming; but who does actually strive to do the deeds; who knows great enthusiasms, the great devotions; who spends himself in a worthy cause; who at the best knows in the end the triumph of high achievement, and who at the worst, if he fails, at least fails while daring greatly, so that his place shall never be with those cold and timid souls who neither know victory nor defeat."
In eigener Sache
Ich hoffe dir gefällt, was ich hier wöchentlich schreibe - mir macht es auf jeden Fall Spaß, jede Woche ein wenig tiefer als sonst in Themen einzutauchen und meine eigenen Gedanken auf Papier zu bringen.
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Danke für’s Lesen!
Beste Grüße und bis nächste Woche!
Robbie
Image Credits
Quibi off - collage w/ photo by Tyler Lastovich on Unsplash