Biden vs. Big Tech
Warum Google, Amazon, Facebook & co. vor Biden's neuem Team Angst haben sollten
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Jack Dorsey ist Gründer und CEO von nicht nur einer börsennotierter Millarden-Firma, sondern gleich von zwei: Twitter und Square. Oft wurde ihm in Vergangenheit nahegelegt, sich mit seiner Rolle als CEO auf nur eine der beiden zu konzentrieren. Dass er aber durchaus Multitasking fähig ist, hat er gestern bewiesen, als er während er vom US Kongress befragt wurde, diese Twitter Umfrage gestartet hat:
Worum es in der Befragung ging beschreibe ich im ersten Teil des heutigen Newsletters. Und wer ganz bis zum Ende liest, erfährt vielleicht noch, was es mit Jack’s Umfrage auf sich hat.
Viel Spaß beim Lesen!
Biden vs. Big Tech
Als sich vor etwas mehr als vier Monaten, nach der Wahl in den USA, abzeichnete, dass Joe Biden der 46. US Präsident werden würde, hab ich in diesem Newsletter auch kurz angeschnitten, was das für die Tech Branche bedeuten könnte. Damals war unter anderem noch nicht abzusehen, dass die Demokraten auch die Mehrheit im Senat erhalten würden und somit hab ich damals eher nicht mit schärferer Tech Regulierung gerechnet.
Auch wenn naturgemäß gerade für Biden einige andere Themen eine deutlich höhere Priorität haben, zeichnet sich immer mehr ab, dass seine Regierung durchaus eine deutlich kritischere Haltung und Politik gegenüber Big Tech einnehmen wird.
Das sieht man an den jüngsten Berufungen in verschiedenen Behörden und Gremien. So hat Biden angekündigt, die Juristin Lina Kahn als Commissioner in die FTC (Federal Trade Commission) zu berufen.
Sie ist zwar erst 32 Jahre alt, aber als Kartellrechtlerin schon ziemlich berühmt berüchtigt. Das liegt vor allem daran, dass ihr Paper “Amazon’s Antitrust Paradox”, dass sie 2017 als Jura Studentin an der Yale Universität veröffentlicht hat, für die kartellrechtliche Beurteilung von Amazon sehr schnell einen wegweisenden Charakter angenommen hat.
Mit ihr in der FTC können sich die Big Tech Companies also auf eine deutlich kritischere Beurteilung ihrer Wettbewerbsposition einstellen, als das bisher der Fall war.
Zusätzlich untermauert wird das von einer weiteren Berufung Biden’s: Tim Wu. Der Jura Professor ist als starker Verfechter des Prinzips von net neutrality bekannt. Es könnten ungemütliche Jahre auf Amazon, Facebook, Google, Twitter & co. zukommen.
Neben den wettbewerbsrechtlichen Themen müssen sich die Köpfe der Social Media Big Techs gerade auch intensiv mit dem Thema Content Moderation beschäftigen. In einer Anhörung im US Kongress haben Mark Zuckerberg (Facebook), Sundar Pichai (Google), und Jack Dorsey (Twitter) sich gestern zu ihrem Standpunkt zu einer Reform des Section 230 bezogen.
Section 230 ist ein Gesetz, das Social Internet Plattformen in gewisser Weise frei von jeder Verantwortung für den von ihnen verbreiteten Nutzer-Content sagt. Auf dieses Gesetz haben sich die Plattformen in den vergangenen Jahren immer gerne bezogen, wenn sie für Hass-, Gewalt- und ähnliche Inhalte mitverantwortlich gemacht wurden.
Doch da das Gesetz von 1996 stammt, sollte allen klar sein, dass es die heutige Form der Internetplattformen kaum antizipieren konnte, und somit auch nicht sinnvoll reglementieren kann.
Es ist zu erwarten, dass die Blanko-Freisprechung von jeglicher Verantwortung keinen Bestand haben wird, allerdings ist noch fraglich, wie genau eine mögliche Verantwortung der Betreiber von Social Media Plattformen geregelt werden soll.
Mark Zuckerberg hat in seinem Statement u.a. vorgeschlagen, dass Plattformen nicht für illegalen Content belangt werden sollten, solange sie nachweisen können, dass sie genügend Schritte und Kontrollmechanismen eingebaut haben, die solche Inhalte grundsätzlich einschränken und nach bester Möglichkeit verhindern.
Das klingt aus meiner Sicht durchaus nach einem sinnvollen Vorschlag, doch mit zwei wichtigen offenen Fragen:
Wer beurteilt, welche Maßnahmen als ausreichend gelten und wer ist für die Überprüfung dieser zuständig?
Ab welcher Plattformgröße gilt dieses Gebot und wie misst man diese Plattformgröße?
Denn gerade wenn der zweite Punkt nicht ausreichend geklärt ist, könnte das bedeuten, dass sich nur die großen Plattformen die notwendigen Maßnahmen leisten können. Das würde Innovation und neue Konkurrenten im Keim ersticken - was zwar vielleicht Mark Zuckerberg gefallen würde, aber in starkem Kontrast zu den aktuellen Bestrebungen im Wettbewerbsrecht stünde.
Dispo - zu nah an die Sonne geflogen?
Vor wenigen Wochen noch sah es so aus, als könnte Dispo die nächste Hype Social Media App werden. Doch nach einem Skandal um eine Beteiligung an sexueller Belästigung durch den Mitgründer der App, David Dobrik, ist die Erfolgsgeschichte erst mal unterbrochen, oder gar beendet.
Dobrik dürfte für viele kein Unbekannter sein - der 24 Jährige ist einer der erfolgreichsten YouTube Stars, mit mehr als 18 Millionen Abonnenten.
Gemeinsam mit seiner als Vlog Squad bekannten Crew produziert er seit Jahren Videos, die in lockerem & vermeintlich lustigen Stil sein Leben als Influencer in LA zeigen. Das wirkt für mich oft inhaltsleer, spricht aber anscheinend viele in der jüngeren Zielgruppe an.
Die Story rund um die Vergewaltigungsvorwürfe lässt sich hier nachlesen. Zusammengefasst: Eine junge Frau wirft einem Crew Mitglied von Dobrik vor, ihren betrunkenen Zustand auf einer Party für nicht einvernehmlichen Sex ausgenutzt zu haben, sie also vergewaltigt zu haben. Dazu gibt es sogar ein Video auf Dobrik’s Kanal, in dem die Party zu sehen ist und das Crew Mitglied mit dem Sex angibt.
Der Veröffentlichung des Videos hatte die Frau wohl nur zugestimmt, weil sie sich genötigt gefühlt hat. Das alles gibt Dobrik auch in einem Video von dieser Woche zu.
Der Vorwurf an Dobrik lautet also vor allem, mit seinem Verhalten sexuelle Belästigung und Vergewaltigung mindestens provoziert, ermöglicht, und in Lächerlichkeit gezogen zu haben.
Als Reaktion auf die Vorwürfe haben sich bereits eine ganze Reihe von Sponsoren von Dobrik distanziert. Aber da Dobrik eben nicht nur Youtuber, sondern auch Dispo Mitgründer ist, trifft der Skandal jetzt auch die junge Firma.
Dispo ist eine Mischung aus Einmalkamera und Instagram. Man kann Fotos im Stil alter Wegwerfkameras machen, die aber immer erst nach 24h “entwickelt” werden und sichtbar sind.
In den letzten Monaten lief es sehr gut bei Dispo - vergangenen Oktober investierte u.a. Reddit Mitgründer Alexis Ohanian mit seiner neuen Firma Seven Seven Six $4 Millionen in das Startup, erst letzten Monat kamen dann noch mal $20 Millionen, u.a. vom Twitter Investor Spark Capital dazu - das ganze auf einer Bewertung von $200 Millionen.
Skandale in Startups sind nichts Neues, leider auch nicht Skandale um sexuelle Belästigung, wie u.a. Uber und Gründer Travis Kalanick leider öfter bewiesen haben.
Neu ist, dass sich Investoren nicht nur kommunikativ, sondern auch durch Taten so klar von den Firmen distanzieren.
Spark Capital hat angekündigt, alle Verbindungen zu Dispo zu kappen. Das Investment ist schon geflossen, aber sie haben zugesagt, alle daraus möglicherweise resultierenden Erträge nicht selbst zu verwenden. Ähnliche Ankündigungen kamen von den anderen beteiligten Investment Gesellschaften, die allesamt bekunden, fortan nichts mehr mit Dispo zu tun haben zu wollen.
Und das alles, obwohl der Skandal ja nicht direkt Dispo, sondern David Dobrik und seine Arbeit als YouTuber betrifft. Außerdem hat Dobrik direkt verkündet, von allen Posten in der Firma zurückzutreten.
Die konsequente Haltung der Investoren mag zunächst begrüßenswert wirken, und doch ist sie meiner Meinung nach befremdlich.
Dabei möchte ich zunächst ausdrücklich betonen, dass es aus meiner Sicht keinen Zweifel an den Vorwürfen zu geben scheint und ich diese vollumfänglich verurteile. Generell missfällt mir die von David Dobrik & co. gelebte “Bro Culture”. Ich kann damit inhaltlich wenig anfangen und finde sie darüberhinaus gefährlich, weil sie u.a. eben genau die Art sexuelle Kultur feiert, die Belästigung und Vergewaltigungen verharmlost.
Mein “aber” bezieht sich also in keiner Weise auf diese Sache, sondern einzig auf den Umgang von Investoren mit den von ihnen unterstützen Firmen.
Die Rolle eines Venture Capital Investors sollte im besten Fall nicht nur die eines Geldgebers sein, sonder auch die eines Mentors und Unterstützers.
Diese Rolle ist einfach, wenn alles gut läuft, aber sie ist umso wichtiger, wenn das Startup durch schwere Zeiten geht.
Ein Skandal um einen Mitgründer ist genau eine solche Situation, in der ein guter Investor dem Team mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte.
Im Falle von Dispo ist außerdem fraglich, wie sehr die Rolle von Dobrik wirklich die eines echten Mitgründers, oder eher nur ein Marketing Stunt war. Umso eindeutiger ließe sich wahrscheinlich der Skandal von der Firma trennen.
Dass man sich als Investor klar und deutlich gegen sexuelle Belästigung und Vergewaltigung positioniert, sollte außer Frage stehen.
Ein Team, in das man mit Überzeugung investiert hat, einfach so fallen zu lassen, halte ich mindestens für fragwürdig.
Ich fürchte, es war getrieben aus der Angst, dass das Phänomen der Cancel Culture von Dobrik auf Dispo und von Dispo auf die Investoren übergreifen könnte. Meiner Meinung nach müssen aber gerade Investoren von diesem Kaliber in solchen Situationen mehr Rückgrat beweisen können.
(Was mich an Cancel Culture stört ist dann ein Thema für eine andere Ausgabe…)
Ich halte die Investoren von Spark, Seven Seven Six Ventures und co. für intelligente Menschen. Es kann also durchaus sein, dass nicht die ganze Geschichte des Skandals bekannt ist, dann wäre mein Urteil über ihr Vorgehen hier ggf. nicht richtig. Auf Basis der bekannten Fakten, halte ich es aber für falsch.
Jetzt sieht alles so aus, als wäre Dispo mit seinem vermeintlich glänzenden Promi-Mitgründer ein wenig zu nah an die Sonne geflogen…
Danke für’s Lesen!
Beste Grüße und bis nächste Woche!
Robbie
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Und wie versprochen, hier noch die Auflösung zu Jack’s mysteriöser Yes/No Umfrage: