Eine Epische Geschichte - Teil 1
Wie Epic Games mit bahnbrechender Technologie und einem ungewöhnlichen Geschäftsmodell zu einer der spannendsten Tech Firmen unserer Zeit wurde.
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Vorletzte Woche habe ich mich in diesem Newsletter das erste Mal intensiver mit dem Thema virtuelle Welten beschäftigt. Dabei stand unter anderem die Frage im Raum, wie die Vision für ein mögliches Metaverse aussehen könnte. Bei meiner Recherche bin ich dabei immer wieder bei einer Firma hängen geblieben: Epic Games.
Ich hatte immer mal wieder von Epic gehört, aber sie eigentlich nur als die Firma hinter Fortnite abgespeichert. Da ich mich nicht besonders für Gaming interessiere war es dabei geblieben.
Erst im Rahmen meiner Recherche zu virtuellen Welten und dem Metaverse ist mir dann immer bewusster geworden, dass ich damit eine der interessantesten Tech Firmen der vergangenen 30 Jahre vollkommen ignoriert habe. Das musste ich also schnell ändern.
So startete die Reise in’s Rabbit Hole. Und genau dahin nehme ich euch jetzt mit.
Auch wenn du dich nicht für Games interessieren solltest - ich verspreche dir, es lohnt sich Epic und sein Geschäftsmodell zu verstehen. Und als kleiner Vorgeschmack, hier drei Anwendungen von Epic’s Unreal Engine, die nichts mit Games zu tun haben:
Epic lässt mein Herz als Tech Entrepreneur höher schlagen - denn die Firma verbindet auf fast magische Weise Cutting-Edge Technologie mit ungewöhnlichen Geschäftsmodellen - geführt von einem Bilderbuch-Nerd mit unglaublicher strategischer Weitsicht, und einer Vision, die weit über die Games Branche hinausreicht.
Ich teile dieses Portrait der Firma in zwei Teile:
Im heutigen Teil 1 lernen wir Epic erst einmal kennen - vom Gründer über die knapp 30-jährige Firmengeschichte. Und wir schauen uns an, welche Bereiche den Kern der Firma ausmachen, die heute mit über $17 Milliarden bewertet wird.
Nächste Woche, in Teil 2, schauen wir uns dann an, wie die verschiedenen Geschäftsbereiche von Epic ein perfektes Flywheel bilden, und warum ich glaube, dass Epic schon in wenigen Jahren in einem Atemzug mit Apple, Facebook, Google und co. genannt werden wird.
Also los!
Wie alles anfing
Alles beginnt in 1981, als der 11-Jährige Tim Sweeney seinen großen Bruder in Kalifornien besucht, der dort für eine der frühen Tech Companies arbeitet. Zum ersten Mal erlebt er IBM Personal PCs und ist begeistert. Er fängt an, Programmieren zu lernen - eine Leidenschaft die ihn fortan nicht mehr loslassen wird.
Zehn Jahre Später gründet Tim Sweeney als Student die Firma Potomac Computer Systems, aber wirft schon bald den eigentlichen Plan, als Consultant IT Services anzubieten, über Bord. Stattdessen widmet er sich seiner eigentlichen Leidenschaft, dem Programmieren von Spielen. Seine erste Kreation: ZZT, ein simples Action/Puzzle Game für MS-DOS. Einer der Clous des Spiels: Nutzer können mit einem Editor Level gestalten und das Spiel so für sich und andere Spieler erweitern. Diese Idee, den Nutzer an der Entwicklung des Produkts teilhaben zu lassen, wird sich wie ein roter Faden durch die weiteren Kreationen von Tim Sweeney ziehen.
ZZT wird tatsächlich ein Erfolg - und Tim beschließt sich mit seiner Firma jetzt voll dem Entwickeln von Spielen zu widmen. Nur ein neuer Name soll her - dieser soll seriös und nach einer großen Firma klingen. Bingo! Epic MegaGames. (Oh 90s…)
Von ZZT zur Unreal Engine
Von da geht es rasant weiter - die Firma wächst solide und bringt mehrere Spiele auf den Markt. 1999 erscheint dann das erste Spiel der Unreal Serie - ein 3D First Person Shooter. Aber der eigentliche Kniff dahinter ist die Game Engine, die Epic für das Spiel entwickelt hat. Und umso mehr ein Clous: Diese Engine wird Epic ab jetzt auch anderen Enwicklern als Third Party Engine zur Verfügung stellen.
Diese Entscheidung, die eigene Game Engine zu teilen, war für die damalige Zeit durchaus ungewöhnlich. Aus heutiger Sicht passt sie aber perfekt ins Bild und ist ein ein früher Ausdruck der Meta-Strategie, die Tim Sweeney bis heute verfolgt. Mehr dazu später.
Nach dem Erfolg mit der Unreal Serie ab den späten 90ern, gelingt Epic dann ab 2006 ein weiterer Riesen Erfolg mit dem Release des Spiels Gears Of War, das schnell zu einem der beliebtesten und auch finanziell erfolgreichsten Spiele wird.
All diese Erfolge machen Epic zunehmend zu einem der wirklich großen Player im Games Sektor. Und nebenbei reift auch die hauseigene Game Engine Unreal zu einer der meistgenutzten Game Engines in der Branche heran.
Was ist eigentlich eine Game Engine?
Eine Game Engine ist sozusagen die Grundlage für jedes Spiel - der Code und die Plattform, auf der ein Spiel läuft. Sie kombiniert die grafischen Elemente mit der Spielphysik, mit der Steuerung und so weiter. Was die Game Engine für den Spieleentwickler ist, sind Kamera, Lampen, Set und Mikrofon für den Filmemacher - sozusagen das Grundwerkzeug auf dem alles basiert. Sie ist essentiell in der Entwicklung und sorgt dafür, dass man nicht immer von null starten muss.
Viele große Spielefirmen entwickeln und nutzen eigene Game Engines, meistens sogar unterschiedliche für verschiedene Spieleserien. Doch gerade für kleine Spielstudios wurde es in den letzten Jahren immer weniger lukrativ, eigene Engines zu entwickeln.
Das war schon immer eine komplexe Aufgabe, doch in den vergangenen Jahren hat die Komplexität stark zugenommen. Während Gamer sich vor nicht allzu langer Zeit noch mit klobigen 3D-Charakteren und nur eingeschränkt nachvollziehbarer Spielphysik zufrieden gegeben haben, erwarten sie heute nahezu photorealistische Darstellungen, lebhafte Charaktere und realistische Physik. Ohne die richtige Game Engine, ist all das nicht machbar.
Gleichzeitig müssen Spiele auf immer mehr Plattformen laufen. Während große Titel früher meist exklusiv für ein Ökosystem - z.B. nur für die Xbox, oder nur für die Playstation entwickelt wurden, erwarten Konsumenten heute, dass Spiele über die Plattformen hinweg funktionieren. Gleichzeitig gibt es immer mehr davon - von den verschiedenen Generationen an iPads und Smartphones bis zur Nintendo Switch.
Alles das spricht dafür, auf eine bestehende Engine, deren Entwickler sich tagtäglich mit den genannten Herausforderungen beschäftigen, zurückzugreifen.
Und etwas ganz bestimmtes spricht für Unreal: Die Engine ist kostenlos verfügbar.
Als ich das zum ersten mal hörte, war mein Interesse für Epic umso mehr geweckt. Denn wie kann eine Firma, deren Kernprodukt kostenlos angeboten wird, $17 Milliarden wert sein?
Nun ja, es gibt natürlich doch ein Geschäftsmodell dahinter - aber das ist ungewöhnlich. Statt eine feste Summe oder eine laufende Nutzungsgebühr pro Anwender zu nehmen, ist der Deal bei Unreal folgender: Grundsätzlich ist die Nutzung der Engine kostenlos, aber sobald eine Firma mit den digitalen Produkten, die sie mit der Engine erstellt, Geld verdient, muss sie 5% Lizenzgebühr bezahlen - das aber auch erst, ab einem Umsatz von $1 Million.
Spannend daran ist, dass das wirklich nur für den Umsatz mit den direkten digitalen Produkten der Engine gilt - also vor allem Spiele.
Für fast alle anderen Anwendungsfälle außerhalb von Spielen ist die Engine also wirklich komplett kostenfrei. Das ist umso erstaunlicher, wenn man versteht, dass Unreal in fast allen Belangen so gut ist, dass sie mittlerweile das bevorzugte Software Tool in diversen Bereichen wie Architektur, Automobilkonstruktion, beim Wetterbericht oder sogar beim Training von Soldaten ist:
Die interaktiven Wetterberichte von The Weather Channel - werden in Unreal gestaltet:
Die Planung von Schweden’s neuer Highspeed Zugstrecke inkl. Planung der Gestaltung von Wildbrücken - wurde in Unreal gestaltet:
Design- und Produktionsplanung der neuen BMW Modelle in Zeiten von Remote Work - findet in Unreal statt.
Es gibt auf dem Markt kein vergleichbar gutes Angebot, und die meisten Beobachter der Szene sind sich einig, dass Epic mit der Unreal Engine ohne Probleme deutlich mehr Geld verdienen könnte.
Doch hier greift die unbeirrte langfristige Perspektive, die Tim Sweeney schon seit Beginn der Firma einnimmt. Und sie besteht im Kern aus seiner Vision des Metaverse.
Bevor wir uns diesem Gedanken widmen, schauen wir uns an, was Epic neben der Unreal Engine noch bietet.
Epic Games Store, Epic Games Publishing & Epic Online Services
Manchmal finde ich, dass die Welt vor 10 Jahren noch spannender war. Als es noch eine physische Aktivität war, neue Musik, neue Filme, oder eben neue Spiele zu entdecken, für die man in einen Laden fahren musste. Wie wir alle wissen, findet das Suchen, Kaufen und Konsumieren von Musik, Filmen und Spielen heute fast ausschließlich digital statt.
Auch hier spielt Epic seit 2018 mit einem eigenen digitalen Store mit - dem Epic Games Store.
Als Gegenangebot zu dem vorher dominanten Store Steam, bietet Epic hier den Kunden Spiele anderer Hersteller an. Und auch hier unterbieten sie wieder auf krasse Art und Weise die Konkurrenz. Während es für Steam, Apple & co. üblich ist, 30% der Umsätze im Store zu behalten - verlangt Epic nur eine Gebühr von 12%. Für Spiele, die die Unreal Engine benutzen, können hier die 5%, die dort schon fällig werden, sogar angerechnet werden.
Das Ganze ist ein weiteres Puzzleteil in der Strategie von Tim Sweeney - die Teile fügen sich bald zusammen.
Mit Epic Games Publishing, tritt Epic zudem als Publisher von Spielen anderer Entwickler auf, und geht dabei so weit, bis zu 100% der Entwicklungskosten zu finanzieren. Sie unterstützen also andere Entwickler und kleinere Studios sogar finanziell dabei, neue Spiele auf den Markt zu bringen.
Und mit Epic Online Services bietet Epic Entwicklern eine Reihe weiterer Tech Services rund um das Spiel an - von Nutzerverwaltung, über Leaderboards bis zu Matchmaking, um Spieler bei Mehrspieler Modi intelligent miteinander zu verbinden. Auch diese Services bietet Epic größtenteils kostenlos an.
Das Puzzle fügt sich
Mit dem Store, dem Publishing Angebot, und den Online Services hat Epic so über die vergangenen Jahre ein ergänzendes Ökosystem um seine Unreal Engine herum geschaffen, dass die Entwicklung von Spielen und anderen digitalen Erlebnissen auf nie dagewesene Art und Weise demokratisiert - mit einer Kombination aus nahezu konkurrenzloser Technologie und attraktiven öknomischen Incentives.
Hinter all dem steckt eine geniale mittelfristige Strategie und eine umso genialere langfristige Vision.
Beides exerziert Epic, immer noch geleitet vom Gründer Tim Sweeney, mit einer unvergleichbaren Konsequenz. Dass sie sich so sehr auf die lange Frist, und so wenig auf den kurzfristigen ökonomischen Erfolg konzentrieren können, liegt auch daran, dass die Firma nach fast 30 Jahren immer noch in privater Hand ist. Dass das funktioniert hat, und die Firma auch ohne Börsengang an viel Kapital gekommen ist liegt vor allem an einer Firma: Tencent.
Der chinesische Internetgigant, der vor allem für seinen Dienst WeChat bekannt ist, sah schon vor fast 10 Jahren das Potential von Epic und erwarb 2012 für knapp $330 Millionen 40% der Anteile an Epic. So erstaunt es nicht, dass die heutige Strategie von Epic durchaus vergleichbar mit der Plattformstrategie von Tencent ist.
Aber neben Geld und Plattformstrategie brachte Tencent vor allem Eins mit an Bord: Erfahrung mit dem Konzept von Games-as-a-Service. Unter anderem hatte Tencent erst 2011 die Mehrheit an Riot Games übernommen, einer weiteren amerikanischen Spieleentwicklungsfirma, die vor allem hinter dem Spiel League of Legends steckte.
Das finale Puzzlestück
Ein letztes Puzzlestück fehlt uns noch, um Teil 1 dieses Portraits abzuschließen. Es handelt sich um den Teil, von dem vielleicht schon die Meisten etwas gehört haben: Fortnite.
Schon seit 2011 hatte Epic an einem Spielekonzept gearbeitet, dass die Kreativität und die Baumodi von Minecraft mit einer Shooter Logik kombiniert.
Für Epic sollte das das Spiel vor allem als Testumgebung für das Konzept eines Game-as-a-Service dienen. So bezeichnet man das Konzept, mit einem Spiel nicht durch einmalige Gebühr, sondern mit laufenden Einnahmen Geld zu verdienen.
Doch Fortnite sollte viel mehr werden, als nur eine Testumgebung. Nach dem Launch im Sommer 2017, wurde es schnell zum fulminanten Erfolg und schon nach wenigen Monaten hatte es mehr als 100 Millionen aktive Spieler.
Fortnite ist mittlerweile viel mehr, als nur ein Spiel. Es ist ein Social Network. Und mit 350 Millionen registrierten Nutzern ist es eines der erfolgreichsten.
Spieler nutzen Fortnite nicht nur für den eigentlichen Spielmodus. Längst bietet es die Möglichkeit, auch einfach nur so mit anderen Spielern Zeit in einer virtuellen Welt zu verbringen, sich auszutauschen, gemeinsam auf kreative Art und Weise Welten zu gestalten oder sogar an Konzerten teilzunehmen. Auch wenn es andere Spiele mit mehr aktiven Spielern gibt, in kaum einer virtuellen Welt verbringen die Teilnehmer mehr Zeit: Allein im April 2020 waren es 3.2 Milliarden Stunden.
Und für Epic ist Fortnite neben der strategischen Bedeutung auch monetär ein wichtiger Bestandteil: mit geschätzt über $2 Milliarden jährlichem Umsatz und bis zu $1 Milliarde Gewinn, ist Fortnite eine wichtige Einnahmequelle, die die anderen Bereiche von Epic mit-finanziert.
In Teil 2…
Mit der Unreal Engine, den verschiedenen Online Services, dem Epic Game Store und Fortnite, ist Epic Games in einer besonderen Position, die digitale Welt von Morgen mitzugestalten.
Wie kaum eine andere Firma schaffen sie es, Netzwerk Effekte über ihr gesamtes Portfolio zu realisieren und bringen uns damit alle der Vision vom Metaverse näher.
Wie Tim Sweeney genau das tut, warum er sich als Gegengewicht zu Apple & Google sieht und wie Epic in den kommenden Jahren zu einer der wertvollsten Tech Firmen werden könnte, schauen wir uns nächste Woche in Teil 2 an.
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