Facebook steigt ins Newsletter Business ein & Wikipedia startet bezahltes Produkt
Was Facebook's Ambitionen für den unabhängigen Journalismus bedeuten
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Es ist spannend zu sehen, wie die großen Social Media Plattformen in letzter Zeit immer stärker unter Druck stehen - politisch wie gesellschaftlich, aber gleichzeitig so stark wie gefühlt lange nicht mehr an neuen Produkten und Features arbeiten. Dazu zählen vor allem Tools, mit denen die Plattformen immer tiefer in die Sphären der Creator Economy vordringen.
Heute schreibe ich über Facebook’s Ambitionen, zu einer Publishing Plattform für unabhängigen Journalismus zu werden.
Dabei wird’s immer mal wieder ein wenig meta, weil ich öfter auch über Substack schreibe, der Plattform, über die ich selbst ja auch diesen Newsletter schreibe und veröffentliche - und das mit der heutigen Ausgabe übrigens seit genau sechs Monaten!
Viel Spaß beim Lesen!
Facebook wird zum Newsletter Tool
Dass das Thema Creator Economy gerade ziemlich heiß ist, sollte dir als aufmerksamer Leser meines Newsletters nicht entgangen sein. Neben einer ganzen Reihe von Newcomern in den letzten Jahren, wollen auch die großen Plattformen mitmischen und bieten immer neue Möglichkeiten für ihre Nutzer, Content zu erstellen und diesen zu monetarisieren.
Gerade die großen Social Media Plattformen stehen hier unter Zugzwang. Jahrelang war die einzige relevante Einnahmequelle für Facebook, Twitter & co. Werbung. Guten Content auf der Plattform zu haben, hatte immer nur den Zweck, mehr Aufmerksamkeit für längere Zeit auf der Plattform zu halten und dadurch noch mehr Werbung ausspielen zu können.
Doch einerseits steht dieses Modell stark unter Druck (siehe z.B. die neusten Anti-Cookie & Tracking Bestrebungen von Apple & Google), und andererseits realisieren die Plattformen zunehmend, dass sie über Jahre anderen Spielern das Feld überlassen haben.
Creator jeder Art bauen Follower & Communities auf Facebook, Instagram und Twitter auf - das Geld verdienen sie aber dann oft abseits der Plattform: In ihren eigenen Webshops via E-Commerce, Merchandise und co., oder auf Plattformen wie Patreon und Substack über Supporter- und Subscription Einnahmen.
Jetzt wollen die Plattformen aber selbst mehr vom Kuchen. Wie schon in vergangenen Ausgaben berichtet, ist hier vor allem Twitter gerade sehr aktiv. Einerseits arbeiten sie an einer Art Clubhouse Klon namens Spaces und außerdem haben sie vor einigen Wochen das Newsletter Tool Revue übernommen. Hiermit treten sie in direkte Konkurrenz zu Substack & co.
Und nun gesellt sich auch Facebook dazu und hat angekündigt, in naher Zukunft ein eigenes Publishing & Newsletter Tool anzubieten. Als Features nennt Facebook unter anderem:
A free, self-publishing tool with robust styling options to create individual websites and an email newsletter
The ability to create Facebook Groups and nurture a community of readers
Monetization tools to build successful individual websites and businesses, starting with subscriptions
Das klingt nach sehr direkter Konkurrenz für eben genannte Newsletter Plattformen.
Außerdem schreiben sie:
A large part of this initiative is aimed at supporting independent local journalists who are often the lone voice covering a given community. We’ll work to include them at launch, and build tools and services specific to their needs.
Damit wird ein schon jetzt spannender Kampf jetzt noch spannender: Wer gewinnt die besten unabhängigen Journalisten für sich?
Wie ich wohl kaum näher erläutern muss, kämpfen viele Medienhäuser weltweit seit Jahren um’s Überleben.
Printmedien können davon schon lange ein Lied singen. Doch das Rad dreht sich weiter und in letzter Zeit sind auch immer mehr Online Medien betroffen.
Während der Niedergang bei den klassischen Printmedien vor allem daran liegt, dass ihnen die Leser weg brechen, kämpfen die großen Online Medien immer mehr damit, dass ihre Top Journalisten sich lossagen und fortan auf eigene Faust Content veröffentlichen.
Darüber hatte ich hier schon einmal berichtet und unter anderem über Casey Newton und Matthew Yglesias geschrieben, die sich von The Verge und Vox gelöst hatten.
Gelockt wurden sie wohl nicht nur von der Chance, unabhängig erfolgreich zu sein, sondern auch von direkten finanziellen Incentives, gezahlt von Substack selbst.
Substack bezahlt Journalisten und gibt ihnen damit eine gewisse Absicherung, damit der Start in die Unabhängigkeit gelingt. Darum gab es diese Woche übrigens einiges an Aufregung. Manche der von Substack unterstützten Journalisten zählen eher zum politisch konservativen Lager - das erzeugt in Zeiten von Cancel Culture dann natürlich einen Aufschrei. Ich will das hier gar nicht tiefer kommentieren, kann dazu aber immer nur wieder betonen, dass man auch im Internet verschiedene Meinungen und Stimmen aushalten muss, und Diversität von Perspektiven eigentlich immer wertvoll ist. (solange es nicht um extremistische Inhalte jeglicher Art geht.
Aber unabhängig von dieser Debatte zeigt das alles, wie umkämpft der Markt um die Top Journalisten im Internet schon heute ist. Durch Facebook’s Einstieg in das Thema, wird das Ganze noch mal deutlich angeheizt. Ob das langfristig wirklich gute Nachrichten für die Journalisten und Content Creator sind, wird sich zeigen. Entweder gelingt die Utopie der Unabhängigkeit, oder die Abhängigkeit wechselt einfach nur den Bezugspunkt - vom Medienhaus zur Plattform.
So oder so: Alleine aufgrund von Facebook’s finanzieller Stärke und exponierter Position auf dem Markt und gegenüber Regulatoren, wird es sehr spannend zu sehen sein, was genau Facebook mit seiner Publishing Plattform vorhat.
Was sonst noch geschah
Wikipedia bietet bald eine bezahltes Produkt an: Die Non-Profit Stiftung Wikimedia hat ein neues Feature angekündigt, dass es anderen Firmen ermöglichen wird, einfacher und schneller per Schnittstelle auf Wikipedia Daten zuzugreifen. Dieses Feature wird aber eben nicht kostenfrei, sondern nur gegen Bezahlung zur Verfügung stehen. Das ist insofern eine wichtige strategische Entscheidung, als dass immer mehr Nutzer nur indirekt mit Wikipedia interagieren - z.B. über Amazon Alexa oder Infoboxen in den Google Suchergebnissen. Die direkte Interaktion war aber bisher die einzige Möglichkeit auf das Spendenprogramm aufmerksam zu machen. Und das war bisher die einzige Einnahmequelle, um das Projekt auch weiter zu finanzieren.
Gumroad sammelt $ 5 Millionen mit einer neuen Form des Crowd Financing ein. Die Payment Plattform für die Creator Economy hat mittels des neuen Instruments Reg CF eine Millionensumme von mehr als 8.000 Einzelinvestoren eingesammelt. Diese neue Form des Fundings ermöglicht in den USA Crowd Investoren gemeinsam an einer Venture Capital Finanzierung zu partizipieren. Das war bisher nur “Accredited Investoren” vorenthalten. Auch wenn es auch bei Reg CF viele Auflagen und Grenzen gibt, ist das ein spannender Schritt, der den Zugang zu riskanten, aber potentiell hoch-lukrativen Investments weiter demokratisiert.
Danke für’s Lesen!
Beste Grüße und bis nächste Woche!
Robbie
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