Haare Schneiden bei Amazon
Wie Amazon den Retail Markt mit Science Fiction Tech aufmischt | Und: Darf Apple seine Konkurrenz kopieren?
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Nein - der Titel ist kein Clickbait und kein nachgeholter Aprilscherz. Amazon hat tatsächlich einen Friseursalon eröffnet. Weshalb, und was Amazon gerade sonst noch an Innovationen im Retail auf die Straße bringt, dazu gleich mehr.
Starten will ich aber mit einer Einordnung, worum es bei den neusten Anhörungen zur wettbewerbsrechtlichen Stellung von Apple & Google geht. Das ist vor allem spannend, weil sich Apple mit den neusten Produktankündigungen nicht nur Freunde gemacht hat.
Viel Spaß beim Lesen!
Und wie immer gilt - ich freue mich über Feedback, am Ende des heutigen Newsletters gibt’s wieder eine Umfrage, um mir mit nur einem Klick Feedback zu geben - danke!
Darf Apple seine Konkurrenz kopieren?
Diese Woche gab es gleich zwei Apple Events. Beim ersten stellte der Konzern am Dienstag eine Reihe neuer Geräte vor. Auf das andere hätten Tim Cook und sein Team lieber verzichtet: Es gab mal wieder eine Anhörung vorm US Kongress.
Im Zentrum standen kartellrechtliche Fragen, neben Apple wurde dabei auch Google’s Position hinterfragt.
Die Kritik fokussiert sich auf zwei Themen: hohe Provisionen und Sherlocking.
Bei den Provisionen geht es um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, dass Apple & Google für Umsätze die mittelbar oder unmittelbar über ihre App Stores generiert werden, Provisionen von bis zu 30% verlangen.
Viele erfolgreicher App Anbieter, wie Match (Tinder) oder Epic (Fortnite & co.) halten diese Provisionen für zu hoch. Außerdem schreibt Apple vor, dass die Anbieter nicht aus den Apps heraus auf Webseiten zum Kaufabschluss linken dürfen, um die Provisionen zu umgehen. Auch das wollen die App Anbieter nicht mit sich machen lassen.
Apple und Google halten dagegen, dass sie mit ihren App Stores für Reichweite, und vor allem für Vertrauen und Sicherheit (z.B. durch intensives Prüfen der eingestellten Apps) sorgen. Das würde sowohl den App Anbietern, als auch vor allem den Endkunden zu Gute kommen. Für diese Leistungen seien die Provisionen gerechtfertigt.
Ich bin seit 10 Jahren Apple Nutzer (sprich Fanboy), habe also durchaus einen gewissen Bias. Ich kann aus meiner Perspektive auf jeden Fall sagen, dass der App Store und seine Sicherheit für mich einer der Gründe dafür sind, ein iPhone zu nutzen.
Natürlich gibt es auch bei iPhones immer wieder Sicherheitslücken, aber das Problem der Scam Apps gibt es durch Apple’s restriktive Mechanismen nicht. Bei Android sieht das leider anders aus. Aber ohne hier zu sehr den Klassenkampf iOS vs. Android anzufechten - auch Google investiert natürlich massiv in die Sicherheit und Performance des Play Stores.
Dass Provisionen gerechtfertigt sind, steht für mich außer Frage. Ob bis zu 30% hier aber gerecht sind, kann ich persönlich nicht einschätzen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass zumindest diese Zahl in Zukunft durch Regulatoren angepasst wird.
Das zweite Problem, wegen dem Apple noch mehr als Android in der Kritik steht, und das im Senate Hearing am Mittwoch besprochen wurde, ist Sherlocking.
Kurz gesagt geht es darum, dass Apple immer wieder Produkte von Third Party Anbietern kopiert oder zumindest nachahmt und dann als native Funktionen in seine Betriebssysteme und Software einbindet. So z.B. geschehen mit Apple Music (vs. Spotify) oder Apple TV+ (vs. Netflix), aber vor allem mit dutzenden kleineren Features, die Apple über die Jahre in seine Produkte integriert hat.
Daher stammt übrigens auch der Name Sherlocking - vor einigen Jahren gab es mal ein Suchprogramm auf Mac mit dem Namen Sherlock. Da die Funktionen dieses Tools aber sehr eingeschränkt waren, hat ein Entwickler eine Erweiterung gebaut und unter dem Namen Watson veröffentlich.
Das ging eine Weile ganz gut und wurde ein gutes Geschäft, doch mit einer neuen macOS Version brachte Apple die selben Funktionen einfach nativ in Sherlock und über Nacht war das Geschäft von Watson Geschichte. You just got sherlocked.
So geht es seit Jahren einer ganzen Reihe von Firmen, deren Produkte und Services plötzlich nativ in Apple’s Produktportfolio auftauchen. Die Kritik daran besteht maßgeblich aus zwei Aspekten:
Zum einen geht es um das Kopieren selbst. Firmen finden es nicht fair, wenn Apple Produkte oder Services einfach nachahmt. Das ist verständlich, aber: Das Kopieren gehört zur Geschäftswelt und vor allem auch zur Tech Welt. Ob man das gut oder schlecht findet - solange es nicht um Urheberrechts- oder Patentverletzungen geht lässt sich da wenig machen. Und: Am Ende gewinnt meistens die bessere Umsetzung, und das ist aus Kundensicht auch gut so.
Zum anderen aber, und dieser Vorwurf wiegt wettbewerbsrechtlich schwerer, geht es darum, dass Apple mit unfairen Mitteln mit den kopierten Unternehmen konkurriert.
Hierbei geht es einerseits um den Aspekt, dass Apple keine Plattform Kosten für die Listung im App Store zahlen muss (also keinen 30% Cut abgeben muss), weil ihnen ja die Plattform gehört, und andererseits steht immer wieder auch der Vorwurf im Raum, Apple würde Nutzungsdaten der Konkurrenzapps dazu nutzen, das eigene Angebot zu verbessern.
Letzteres verneint Apple klar, aber wohl aus Sicht der Politik und Regulatoren nicht unbedingt sehr glaubwürdig. Hier wäre aus meiner persönlichen Sicht eine ganz klare Grenze überschritten.
Geht es aber um die Vorteile, die Apple in der Konkurrenz hat, weil sie auf der eigenen Plattform agieren, ist für mich die Bewertung deutlich komplizierter.
Sollte es Anbietern wie Apple erschwert, oder gar verboten sein, auf der eigenen Plattform auch in Konkurrenz mit anderern Anbietern zu treten? Eher nein.
Sollten sie Kosten, die die Konkurrenz für die Nutzung ausgeben muss, auch selbst zahlen müssen? Klingt irgendwie fair, aber ist das auch so? - und wenn ja, wie ließe sich das umsetzen?
Wettbewerbsrecht ist kompliziert und komplex. Einfache Antworten gibt es nicht. Es bleibt abzuwarten, ob die US Politik es wirklich schafft, geeignete Gesetze auf den Weg zu bringen, um Apple’s (& Google’s & …) Macht hier nachhaltig einzuschränken.
Seit der Produktvorstellung Anfang der Woche ist auf jeden Fall hat Apple auf jeden Fall mindestens einen neuen Widersacher gewonnen: Tile. Denn deren Produkt zum Lokalisieren von Schlüsseln, Portmonnaies & co. gibt es jetzt unter dem Namen Airtag auch nativ von Apple. Ob das auch mit angepassten kartellrechtlichen Regeln so bleibt, wird sich zeigen.
Amazon’s neuste Retail Innovationen
Hierzulande kennen wir Amazon vor allem als allmächtigen Online Händler, manche auch als Hersteller von Alexas und Kindles oder sogar als aufstrebenden Logistiker.
Aber in anderen Ländern, allen voran im Heimatland USA ist Amazonimmer mehr auch ein Spieler im Offline Handel.
Über die letzten Jahre haben sie nicht nur die Supermarktkette Whole Foods übernommen, sondern auch eine ganze Reihe eigener Store Konzepte ins Leben gerufen:
Amazon Books
Amazon 4-Star
Amazon Fresh
Amazon Go & Amazon Go Grocery
Dabei setzen sie vor allem auf den Einsatz von Technologien, die vor wenigen Jahren noch als Science Fiction abgetan worden wären. In den Amazon Go Stores gibt es beispielsweise keine Kassen. Kameras und Scanner erkennen, welcher Kunden was aus dem Regal nimmt und rechnen beim Verlassen des Stores automatisch über das Amazon Konto des Kunden ab.
Jetzt kommt Amazon mit weiteren neuen Retail Konzepten und Innovationen um die Ecke:
Amazon Dash Carts - das Amazon Go Konzept auf Rädern, Artikel in den Wagen packen, Artikel wird automatisch erkannt - mit dem Wagen den Laden verlassen, ohne an der Kasse anzustehen. Das ist spannend, weil damit auch bestehende Supermärkte auf ein kassenloses Konzept umgerüstet werden können, ohne die aufwändigen Kameras & Sensoren der Amazon Go/Fresh Stores
Amazon One Palm Payment - Statt mit Kreditkarte kann man in einigen Whole Foods Läden jetzt auch per Kontaktlosem Handscan zahlen. Die Scanner können darüberhinaus auch zur Identifikation und Zugangskontrolle genutzt werden.
Amazon Salon - In London gibt’s jetzt den ersten Amazon Friseur, inklusive AR Style Beratung und Amazon Checkout von Pflegeprodukten. Amazon betont, das alles sei ein reines Experiment, um neue Technologien zu testen. Tatsächlich wäre es verwunderlich, wenn die Firma im großen Stil in’s Haar-Business einsteigen würde. Aber wer weiß - vor einigen Jahren haben Analysten das Selbe zu Amazon’s Ambitionen im Lebensmittelhandel gesagt.
Ich konnte in den letzten Jahren in den USA immer mal wieder die Amazon Retail Konzepte testen und war begeistert. Bei Amazon 4 Star gibt es nur die Produkte, die auf Amazon mit mindestens 4 Sternen bewertet sind, Amazon Books ist ein schöner Buchladen - mit dem simplen Kniff, dass man vor allem Buchfronten und keine Buchrücken sieht, sowie einer Sortierung basierend auf Amazon & Kindle Daten.
Und Amazon Go - der Store ohne Kasse, funktioniert wirklich.
Ich bin gespannt, wann diese Geschäfte auch in Deutschland auftauchen. Rewe & co. können sich warm anziehen…
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Beste Grüße und bis nächste Woche!
Robbie
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Jeden Freitag schicke ich einen Deep Dive zur US Tech Szene an über 200 Abonnenten. In den letzten Wochen habe ich u.a. über das Debakel um Robinhood & Gamestop, NFTs und SpaceX geschrieben.
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